Warum mehr Männer?

Forschungsergebnisse aus Österreich und Deutschland

Zur Bedeutung männlicher Fachkräfte in Kindertagesstätten liegen seit 2013 erstmals Forschungsergebnisse der Wirkungsstudie aus Österreich und der Tandem-Studie aus Deutschland vor. Diese neuen Forschungsbefunde zeigen, dass männliche Fachkräfte als „wirksame Diversifizierung und Anreicherung des Beziehungsalltags“ (Aigner et al. 2013, S. 113) in Kindertagesstätten wirken.

Keine Unterschiede im professionellen Verhalten von Erzieherinnen und Erziehern

So zeigt beispielsweise die Tandem-Studie auf, dass sich zwar einerseits unter fachlichen Gesichtspunkten männliche Fachkräfte kaum von ihren Kolleginnen unterscheiden. So würden Erzieher und Erzieherinnen in den fünf Dimensionen Einfühlsamkeit, Herausforderung, dialogische Interaktion, Art der Kooperation und Kommunikationsinhalte nur unwesentlich differieren und sich beispielsweise bindungstheoretische Annahmen aus der Elternforschung (Frauen seien eher ‚einfühlsam-bindungsorientiert‘ Männer eher ‚herausfordernd und explorationsorientiert‘) nicht auf professionelle Erzieher/innen bzw. auf die in der Tandem-Studie vorgenommene Stichprobe der professionellen Erzieher/innen übertragen lassen.

Vielfalt im pädagogischen Alltag - Einfluss des Geschlechts des Kindes auf das pädagogische Geschehen

Die Tandem-Studie zeigt jedoch zugleich auf, dass männliche und weibliche Fachkräfte in der Tendenz andere Materialien bevorzugen und die Fachkräfte mit Kindern oftmals andere Produkte erarbeiten. Die Autor/innen der Studie werten dies als Beleg dafür, dass gemischte Teams in der Tat eine größere Vielfalt in den pädagogischen Alltag einbringen. Des Weiteren wird in der Tandem-Studie hervorgehoben, dass in den Interaktionen zwischen Erziehern und Jungen bzw. Erzieherinnen und Mädchen „authentische Situationen und Schlüsselszenen“ zu beobachten sind, in denen die Kategorie „Geschlecht“ aktiviert und Geschlechtsidentität(en) ko-konstruiert werden. Die Autor/innen der Studie beschreiben, wie sich diese Schlüsselszenen beispielsweise beim Bau einer Papprollenkanone bzw. beim Basteln einer Perlenkette herstellen und dadurch „Männer- bzw. Frauengemeinschaften“ hergestellt werden. Das Geschlecht der Kinder, so hat sich in der Studie gezeigt, nimmt dabei einen größeren Einfluss auf das pädagogische Geschehen als das Geschlecht der Fachkräfte.

Eine wichtige Aufgabe der Zukunft wird es sein, die bisher vorliegenden Erkenntnisse zum Thema "Männer in Kindertagesstätten" zu ergänzen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse können in die Weiterentwicklung von Praxisprojekten und –materialien zur Erhöhung des Männeranteils fließen.

Weitere Gründe

Aus unserer Sicht gibt es noch weitere Argumente, die das Ziel einer Steigerung des Anteils männlicher pädagogischer Fachkräfte in Kindertagesstätten begründen:

  • Im Sinne der Gleichberechtigung ist eine Parität der Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen wünschenswert. Ebenso wie politisch über Frauen in Führungspositionen diskutiert wird, gibt es auch in Deutschland einen noch recht jungen politischen und gesellschaftlichen Diskurs über Männer in fürsorgenden Berufen. Mit unserer Arbeit setzen wir uns für eine Erweiterung beruflicher Perspektiven für Männer und Frauen ein, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht. Im Sinne einer geschlechtergerechten gesellschaftlichen Arbeitsteilung streben wir zugleich eine Erweiterung traditioneller Geschlechtervorstellungen an.
  • Kitas gewinnen als Bildungseinrichtung zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig haben Kinder unter drei Jahren in Deutschland seit 2013 ein Recht auf einen Kita-Platz. Durch den Ausbau der Kita-Plätze differenzieren sich auch die Zielgruppen der Kitas und ihre Lebenswelten aus, was sich im Sinne der bestmöglichen frühpädagogischen Förderung von Kindern auch im Personal widerspiegeln sollte. Männliche Fachkräfte sind ein Baustein für mehr Heterogenität des pädagogischen Personals (wobei das Geschlecht nur einer von vielen Aspekten ist).
  • Durch den Ausbau der Kita-Plätze wurde noch 2013 eine Fachkräfte-Lücke von 20.000 Personen prognostiziert. Die Erschließung neuer Zielgruppen, also auch männlicher Fachkräfte, sollte diese Lücke zumindest teilweise schließen. In Anbetracht des geringen Anteils männlicher Fachkräfte in Deutschland insgesamt, kann die Fachkräfte-Lücke allerdings nicht alleine durch männliche Fachkräfte gedeckt werden.
  • Eine Erhöhung des Männeranteils im Berufsfeld Kindertagesstätten trägt zur Erweiterung des Berufswahlspektrums und der Handlungsspielräume von Männern bei.
  • Männliche Kollegen können die Teamkultur in Kindertagesstätten positiv beeinflussen. Eine Studie der London Business School aus dem Jahr 2007 zeigt, dass Teams, die zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt sind, innovativer arbeiten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine im Jahr 2010 veröffentlichte Untersuchung von Accenture (Quelle: Bundesinitiative Gleichstellung). Für eine in dieser Hinsicht geschlechtergerechte Personal- und Organisationsentwicklung ist die reflektierte Begleitung der Einmündung männlicher Fachkräfte ins Team entscheidend.
  • Männliche pädagogische Fachkräfte können einen familiären Mangel an männlichen Bezugspersonen abfedern. Wir erachten es als wünschenswert, dass Jungen und Mädchen gleichermaßen auch Männer in fürsorglichen, sozialen Tätigkeiten und so eine geschlechtergerechte Arbeitsteilung erleben.