Als Kita männliche Fachkräfte gewinnen

Von der Leinwand ins Klassenzimmer - Im Interview: Dorothea Held-Samsche, Leitung einer Kita in Burgwedel, Hamburg.

"In der Supervision schauen wir uns an, welche Rolle das Geschlecht in der Pädagogik spielt." Foto: privat.

  • Zur Person: Dorothea Held-Samsche, Leitung der ASB Kita Burgwedel in Hamburg
  • Erzieherin seit 1980
  • Anzahl der Erzieher in der Kita: 4 Frauen, 1 Mann, alle mit unterschiedlichem Stundenumfang in Teilzeit

Welche neuen Wege der Öffentlichkeitsarbeit hat Ihre Einrichtung eingeschlagen, um mehr Männer für Ihre Kita zu gewinnen?

Als wir uns als Kita entschieden haben, im Modellprojekt „MEHR Männer in Kitas“ mitzuwirken, kam es zu ersten Überlegungen, wie wir vielleicht auch eine männliche Fachkraft für unsere Arbeit, die sich an der Reggiopädagogik orientiert, gewinnen können.

So haben wir in unserer Stellenausschreibung im Herbst 2011 mit dem Zusatz „Modellkita“ im Hamburger ESF-Modellprojekt „MEHR Männer in Kitas“ geworben. Zugleich konnte der Stundenumfang dieser Stelle von 30 auf 35 Stunden erhöht werden. Wir nahmen an, dass männliche Fachkräfte eher eine Vollzeitstelle anstreben. Die Bewerberlage war für den Hamburger Stadtrand nicht üppig, aber es gab 60 Prozent männliche Bewerber. Dass wir uns dann auch für einen Mann entscheiden konnten, freut uns sehr.

Im Rahmen des ESF-Modellprojekts „MEHR Männer in Kitas“ haben wir uns im Herbst 2012 in die Berufsorientierung an der Stadtteilschule Julius Leber eingeklinkt. Die Mitwirkung unseres Erziehers Philip im Kinospot des Modellprojekts diente uns als willkommener Türöffner.

Viele Jugendliche hatten den Spot bei ihrem Besuch des neuen James Bond-Films bereits gesehen. Und nun stand Philip leibhaftig vor ihnen, wir zeigten den Spot in der Schule (noch einmal), und er erzählte von seinem Berufsalltag. „Von der Leinwand ins Klassenzimmer“ – das erhöhte die Aufmerksamkeit für den Beruf ganz enorm.

Was hat sich für Sie als Erzieherin dadurch verändert, dass nun eine männliche Fachkraft in Ihrer Kita arbeitet? Wie gehen Sie und Ihre Kolleginnen mit der Veränderung um?

Was sich nun verändert hat, weil eine männliche Fachkraft in unserer Einrichtung arbeitet, lässt sich schwer sagen. Weil der Nachfolger ein Mann ist, kommt es nicht zu einem direkten Vergleich zwischen ihm und seiner Vorgängerin, und das ist gut so. Die Kommunikation im Team hat sich positiv weiter entwickelt, aber hat dies nun mit Mann oder Frau zu tun? Wir sind generell offen für Supervisionen in konkreten Situationen, und weil wir unsicher waren, ob und wie es gehen kann mit einem Mann unter vier Frauen, haben wir uns entschieden, uns auch in diesem Fall begleiten zu lassen.

In der Supervision schauen wir uns an, welche Rolle das Geschlecht in der Pädagogik spielt, aber auch welche unterschiedlichen Kommunikationsarten es gibt und inwiefern das mit der Rolle als Mann oder als Frau zu tun hat.

Wir wünschen uns, in Zukunft häufiger männliche Fachschulpraktikanten zu bekommen, was speziell unserem einzigen männlichen Erzieher gut tun würde.
Auch bei Schülerpraktikanten setzen wir nun verstärkt auf Jungs: Mit der Stadtteilschule ist verabredet, dass von zwei Praktikumsplätzen immer einer für einen Schüler reserviert ist, was bisher von den Schülern auch gut angenommen wird.

Das Projekt „MEHR Männer in Kitas“ läuft nun seit zwei Jahren. Wie beurteilen Sie das Projekt aus der Perspektive einer weiblichen Fachkraft in der Kita?

Für uns ist das Projekt eine willkommene Möglichkeit, uns in neue Netzwerke zu begeben. Die Mischung der beteiligten Menschen und Institutionen ist für uns sehr anregend.

Von großem Vorteil ist, dass das Projekt insgesamt 18 Kita-Koordinierungskräfte stellt, die die Projekt-Kitas unterstützen. Ohne meine Tätigkeit als Kita-Koordinierungskraft für unsere Kita und zwei weitere Kitas des Arbeiter-Samariter-Bunds wäre es für uns als Kita zeitlich schwierig geworden tiefer einzusteigen, da in einer Kita immer viele Themen zu bearbeiten sind. Die zusätzlichen Kapazitäten haben es ermöglicht, dass wir gemeinsam mit einer weiteren Modell-Kita einen Studientag zu Genderpädagogik veranstalten. Außerdem beginnen wir gerade gemeinsam mit Zündfunke Hamburg mit der Entwicklung eines Schutzkonzeptes gegen Machtmissbrauch.
Wichtig ist für mich aber auch, die männlichen Fachkräfte nicht zu idealisieren, sondern an einer gemeinsamen Haltung zu arbeiten, dass Männer und Frauen für die frühkindliche Bildung wichtig sind.

Wir danken Ihnen für diesen umfassenden Einblick und wünschen Ihnen für die Umsetzung Ihrer Projekte und Ideen weiterhin viel Erfolg!

Hinweis des Herausgebers: Die Inhalte der Interviews spiegeln nicht immer die genauen Standpunkte der Koordinationsstelle wider.