Praxis in Dänemark
Hinweis
- Zur vertiefenden Lektüre empfehlen wir den Beitrag von Ulla Gerner-Wohlgemuth „Motivation von Männern in sozialen Berufen – Förderung von Quereinsteigern in Dänemark" in unserem gerade erschienenen Buch „Männer in Kitas“, S. 390.
Unser Buch | Informationen zum Bezug und Inhaltsverzeichnis des Buches
Frau Gerner-Wohlgemuth, in Dänemark wurden verschiedene Regierungsprogramme zur Erhöhung des Männeranteils in Kitas eingeführt. Wie hoch ist der aktuelle Männeranteil in Kitas in Dänemark?
Zunächst einmal sollte ich betonen, dass die Berufe im Betreuungsbereich in Dänemark eine ganze Bandbreite von Tätigkeiten umfassen, die sich mit der Pflege und Betreuung von Menschen von der Geburt bis ins hohe Alter befassen. Zum Beispiel gibt es da das Personal in Krippen, in der Ergotherapie, in Kindergärten, Altenheimen, Pflegeheimen für Behinderte und so weiter – insofern ist es fast unmöglich, diesbezüglich eine konkrete Auskunft zu geben.
Die hier aufgeführten Zahlen sind unter dem Vorbehalt zu betrachten, dass sie bereits fünf bis sechs Jahre alt sind:
Krankenpflege: 5 bis 7 Prozent
Krippe: weniger als 2 Prozent
Kindergarten: 6 bis 8 Prozent
Betreuung nach der Schule/ Hort: 25 Prozent (Alter 9-12)
Beschäftigungstherapie /Ergotherapie: weniger als 10 Prozent
Altenheime: 5 Prozent.
Insgesamt waren im Jahre 2010 16,7% aller Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung männlich (Kindergärten, Krippen und Nachmittagsbetreuung von Grundschulkindern zusammengefasst). In der Ausbildung zum „Pädagogen“, die für verschiedene Arbeitsfelder im sozialen Bereich qualifiziert, liegt der Männeranteil mit circa 20 bis 30 Prozent deutlich höher.
Warum möchte die dänische Regierung den Anteil an männlichen Erziehern erhöhen?
Grundsätzlich ist die dänische Regierung beauftragt, eine Erhöhung des Männeranteils auf Grundlage der Artikel 2 und 3 der EU Verfassung anzustreben, die beide die Geschlechtergerechtigkeit zwischen Männern und Frauen erwähnen.
Betreuer- und Pflegeberufe werden immer noch als eine Frauendomäne angesehen, und es strömen weiterhin unaufhörlich Frauen in diesen Teil des Arbeitsmarktes (zum Glück!). Dies bedeutet auch, dass es immer noch eine Minderheit der Männer ist, die beruflich andere (geschlechtsuntypische) Wege geht. Der Arbeitsmarkt ist aus der Gender-Perspektive unausgeglichen.
Forscher haben herausgefunden, dass eine Lücke zwischen Löhnen und Renten entsteht, wenn Frauen die familiäre Betreuung von Kindern, Alten und Behinderten übernehmen und zudem ein ziemlich hoher Prozentsatz von ihnen lieber in Teilzeit arbeitet.
Andere Forscher betonen den Einfluss auf die Arbeitsumgebung, wenn Männer eingestellt werden. Einige stellen fest, es sei unmöglich die Ausbildungswahl nicht als typisch oder untypisch in Bezug auf das Geschlecht anzusehen. Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass Männer nicht bereit sind, dieses 'feminisierte' Feld zu betreten. Dies macht es wiederum notwendig Männer direkt für diesen Beruf zu werben.
Es ist eine verbreitete Überzeugung, dass Pflegeberufe auf der einen Seite Männern eine Menge zu bieten haben, auf der anderen Seite dieser Bereich auch von der Anwesenheit der Männer, die andere Kompetenzen mitbringen, stark profitieren kann.
In einer vor kurzem durchgeführten Studie über die Gehaltsverhältnisse im Pflegebereich wurde eine Bevorzugung von Männern festgestellt , da einigen von ihnen mehr gezahlt würde, nur „damit sie bleiben“.
Insgesamt gibt es eine wachsende Sorge und Angst in Bezug auf Jungen und Männer in Fragen der Erziehung, Gesundheit, Beschäftigung und den Grundlagen des Lebens. Die Regierung ist daran interessiert, wie Sie es nennen - aber auch verpflichtet zu handeln.
Kampagnen gegenüber bin ich sehr zurückhaltend, generell glaube ich an Informationen und konkrete Beispiele. So habe ich festgestellt, dass die Lehrpläne von Ausbildungen, die auf eine berufliche Karriere innerhalb der Pflege und Erziehung abzielen, vielen Studenten nicht bekannt sind; man könnte sagen sie sind „von Mythen und Legenden umwoben“. Sicherlich ist es eine Aufgabe für die Bildungsinstitutionen und die Arbeitgeber, den Ruf der Pflege- und Betreuungsberufe zu verändern.
Warum die Lehrpläne im "Dunkeln" verstecken und aus der Arbeit ein Geheimnis machen? Stattdessen sollten die Perspektiven deutlich gemacht werden, die sich aus einer Ausbildung im Betreuungsbereich ergeben können, denn die Frage nach beruflichen Perspektiven ist gerade für Männer wichtig. Meiner Meinung nach sollten wir uns auch auf die Minderheit der jungen Männer konzentrieren, die tatsächlich den Pflege- und Betreuungsbereich wählen. Einige dieser jungen Männer sagen uns, sie sähen es als große Inspiration, die Fürsorge für einen anderen Menschen zu übernehmen.
Was die deutsche Initiative betrifft, so ist der zentrale Unterschied (und die Stärke) ihr Umfang, die Dauer und die Nachhaltigkeit. Ich bewundere Ihre Website und den aktuellen Informationsfluss sowie die Veranstaltungen, den Newsletter usw.
Wir hatten bis jetzt noch keine ähnliche Kampagne in Dänemark, so dass es schwer ist Vergleiche herzustellen.
Wie ist Ihre Einschätzung der aktuellen dänischen Regierungskampagne "Skiftjob", zu deutsch "Wechsle den Job", die für mehr Männer in Pflegeberufen werben soll?
Ich habe selbst an dieser Kampagne teilgenommen und sollte sie demnach positiv beurteilen, aber ich bin vorsichtig. Die Kampagne ist eine gemeinsame Initiative der nordischen Länder, und sie wurde als sehr solide und fair gelobt. Allerdings ist sie in der Öffentlichkeit fast unbekannt, was aus meiner Sicht zum Teil auf eine Veränderung von Zielen und Strategien der dänischen Regierung zurückzuführen ist.
Sie haben Männer, die ihre Ausbildung zum Erzieher oder zur Pflegekraft machen, gefragt, warum sie ihren Beruf wählten und welche Erfahrungen sie in ihrer Arbeit machen. Was haben diese Männer gesagt?
Wenn Männer sich für einen Pflege- oder Betreuungsberuf entscheiden, tun sie dies, weil sie es wollen. Niemand zwingt sie dazu. Es kann sein, dass sie eine andere Ausbildung abgebrochen haben, oder sie haben als Ungelernte gearbeitet, während sie entschieden haben, was sie werden wollen oder sie haben bereits eine andere Ausbildung durchlaufen, bevor sie wechseln wollten oder sie waren verwirrt, was sie nun nach dem Schulabschluss tun sollten oder sie haben keinen Platz in der Ausbildung bekommen, die sie eigentlich machen wollten oder oder …
Alles in allem lässt sich feststellen: wenn Männer Pflege-bzw. Betreuungsberufe wählen, haben sie oftmals die gleichen Motive wie Männer, die sich für eine andere Ausbildung / einen anderen Beruf entscheiden. Sie sind keine "spezifische" Kategorie von Männern - sie sind überhaupt keine Kategorie. Sie sind genauso unterschiedlich und vielfältig wie Männer, die in einem anderen Bereich lernen und arbeiten wollen.
Dennoch ist es eine Herausforderung für Männer, in diesem Bereich zu arbeiten. Sie müssen Ihre Berufsentscheidung rechtfertigen (wie auch einige Frauen in "untypischen" Berufen). In der Praxis erleben manche Männer ihre Entscheidung für diesen Bereich als einen Weg, der nirgendwo hinführt, gepflastert mit unzähligen Routinen und von Frauen dominiert. Somit stoßen wir auf einen der wirklich herausfordernden Faktoren für die Gleichstellung der Geschlechter und geschlechtersegregierte Arbeitsfelder: Die Tatsache, dass über den Pflege- und Betreuungsbereich und damit einen Großteil der „typischen“ Frauenberufe so gedacht wird.
Werden die Bemühungen Deutschlands, mehr Männer für Kitas zu gewinnen, in Dänemark wahrgenommen?
Ich fürchte nicht. Allerdings ist die dänische Regierung, repräsentiert durch den Minister für Gleichstellung und die Ministerin für frühkindliche Bildung, jetzt initiativ geworden um herauszufinden, wie die Ausbildungen im Pflege- und Betreuungsbereich für Männer attraktiver gemacht werden können.
Und Ihre Initiative “Männer in Kitas” wurde von der Ministerin und dem Minister wahrgenommen.