Erzieherinnen als Multiplikatorinnen für die Väterarbeit fortbilden

Ein Erfahrungsbericht von KinderStärken e.V.

Alle Fotos: KinderStärken e.V.

In Ihrer Region gab es zu Beginn des Modellprojekts kaum männliche Erzieher in den Kitas. Können Sie die Ausgangssituation beschreiben - wie haben Eltern auf das Thema reagiert?

Zu Beginn des Projektes haben wir uns den Eltern unserer Verbundeinrichtungen im Rahmen von Kitafesten vorgestellt und diese Gelegenheit genutzt, um Eltern zum Thema „Männer in Kitas“ zu befragen. Hierzu wurden verschiedene Befragungsmethoden angewandt. Zum einen konnten Eltern symbolhaft Erzieher und Erzieherinnen bestimmten Tätigkeiten, wie z.B. „Singen“ oder „Bauen/Konstruieren“ zuordnen. Dann konnten Aussagen wie „Wenn ein Mann in der Kita wäre, würde ich mich freuen/hätte ich Bedenken, weil …“ ergänzt werden. Die dritte Methode war ein „Tortendiagramm“ mit verschiedenen Thesen, zu denen Eltern sich positionieren konnten. Wir haben bewusst verschiedene Methoden gewählt, um Eltern möglichst vielfältig zu erreichen. Auch wenn die Ergebnisse unter Forschungsgesichtspunkten nicht repräsentativ sind, so stellen sie doch eine gute Momentaufnahme dar.

Es war aus unserer Sicht sehr erstaunlich, wie aufgeschlossen Eltern dem Thema gegenüberstanden. Wir hatten mit mehr Skepsis gerechnet. Eltern legten dar, dass die Kita keine Frauendomäne sein sollte. Weiterhin betonten sie, dass männliche Erzieher eine Bereicherung für Kitas wären.
Die Mehrheit der Eltern würde ihre Kinder bedenkenlos in eine Kindertageseinrichtung mit männlichen Fachkräften schicken. Dennoch gab es vereinzelt auch Vorbehalte. Eine Mutter sagte beispielsweise in einem Gespräch, dass sie nichts dagegen hätte, wenn ein Mann ihren kleinen Sohn auf die Toilette begleiten würde, bei ihrer Tochter fände sie es befremdlich. Trotz der positiven Grundeinstellung gegenüber Männern bestehen bei Eltern Unsicherheiten, die berücksichtigt werden müssen.

Dennoch werden positive Aspekte stärker betont. Eltern sehen in Männern die Chance, dass Jungen und Mädchen männliche Vorbilder haben, dass sich das Angebotsspektrum in der Kita erweitert und dass Männer auch das Klima im Team positiv beeinflussen können. Eine Mutter erläuterte, dass sie sich freuen würde, wenn mehr Männer in der Kita arbeiten würden, „weil Männer Kinder anders erziehen und ihnen andere Möglichkeiten bieten. Männer lassen Kinder mutiger und abenteuerlustiger sein“.

Und ein Vater ergänzte knapp: „Männer in die Kitas - Gleichberechtigung für alle!“

Was hat sich verändert, als die Eltern dann männlichen Erziehern begegnet sind?

In einer unserer Projektkitas hat ein junger Mann direkt nach seiner Ausbildung die Arbeit aufgenommen. Sowohl Eltern als auch Erzieherinnen betonen immer wieder, wie engagiert er ist und dass er mit seinen kreativen Ideen frischen Wind in die Einrichtung bringt. Immer wieder sagen Eltern, wie wichtig sie es finden, dass ihre Kinder männliche Ansprechpartner haben.
Eine Mutter einer anderen Einrichtung berichtete, dass sie zunächst unsicher war, ob sich ihre Tochter auf einen Mann einstellen kann. Diese Bedenken waren jedoch ungerechtfertigt. Ihre Tochter ist von dem Erzieher begeistert, und solange es dem Kind gut geht, fühlt sich auch die Mutter wohl.
Dennoch gab es auch Gegenbeispiele. Ein Vater erzählte, dass seine Tochter unsicher gegenüber Männern geworden sei, seitdem ein männlicher Praktikant in der Einrichtung ist. Einen erklärbaren Grund gab es dafür nicht. Jedoch stellte der Praktikant letztlich für sich fest, dass die Arbeit in der Kita doch nicht für ihn geeignet ist.

Positive Eindrücke von männlichen Erziehern im Kontext Kita überwiegen jedoch. Resümee der Leiter/innen ist, dass Eltern Erziehern gegenüber aufgeschlossen sind. Sollte es doch einmal zu Unsicherheiten kommen, ist es wichtig, diese wahrzunehmen und mit den Eltern offen zu besprechen. Wichtig ist vor allem, so die Erfahrung aus den Einrichtungen, dass sich neue Kollegen und Kolleginnen den Eltern vorstellen, man ins Gespräch kommt und sich kennenlernt.

Eine Leiterin betonte, dass man in der Arbeit durch Engagement, Kreativität und Motivation überzeugt und nicht durch Geschlecht.

Sie haben außerdem im Rahmen des ESF-Modellprogramms "MEHR Männer in Kitas" Erzieherinnen dazu qualifiziert, Angebote für Väter zu machen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht und was erscheint Ihnen besonders wichtig?

Zunächst war es erst einmal nicht ganz einfach, die Fachkräfte unserer Verbundeinrichtungen für das Thema „Väterarbeit“ zu begeistern. Durch die zunehmend geforderte Professionalisierung in diesem Berufsfeld und einer Vielzahl an unterschiedlichen Projekten (Sprachstand, MiNT, Männer in Kitas etc.) sind die Kapazitäten in den Einrichtungen sehr ausgelastet. Neue Themen werden als zusätzlicher Mehraufwand erlebt. Aus diesem Grund lief das Teilprojekt „Väterarbeit“ zunächst eher schleppend an.

Dann haben wir im April 2012 zum ersten Mal zum Treffen der „Multiplikator/innen – Väterarbeit“ eingeladen. In diesem Zusammenhang wurde jede unserer Projektkitas gebeten, mindestens eine Fachkraft zu diesem Treffen zu entsenden und sie somit zum/zur Multiplikator/in zu machen.

Ziel der Treffen ist es, thematische Inputs zum Thema „Väterarbeit“ zu geben, einen Erfahrungsaustausch mit anderen Praktikern und Praktikerinnen anzuregen, um daraus Projektideen zur Väterarbeit zu entwickeln, diese umzusetzen und zu reflektieren.

Hierzu haben wir beispielsweise eine Handreichung für die Kitas zur Reflexion ihrer Väterarbeit erstellt und Olaf Jantz von „mannigfaltig e.V.“ als Fachreferent zu einem der Treffen eingeladen.

In der Auftaktveranstaltung luden wir die Anwesenden zunächst zum „Motzen“ ein. Mittels der Satzanfänge „Väter kommen nur …“, „Väter sind …“ und „Väterarbeit kann nicht gelingen, da …“ wurden die künftigen Multiplikatoren und Multiplikatorinnen dazu angehalten, sich im negativen Sinn über die Hürden der Väterarbeit auszulassen. Dies stellte im weiteren Verlauf die Grundlage dar, um sich dem Thema wieder öffnen zu können. Mit der Frage „Wenn sie unendlich Geld, Zeit und Personal hätten und es keine Grenzen gäbe, welche (Fantasie) -Väterprojekte würden sie gerne durchführen?“ ging es dann in eine Visionsphase über. Das Ergebnis waren vielseitige Projektideen. Sie reichten von Zeit- und Abenteuerreisen bis hin zu „Vätercomputern“, die die Interessen von Vätern ermitteln. Diese Visionen sollten von den Fachkräften anschließend in die Einrichtungen getragen werden, um sie gemeinsam mit den Teams zu konkreten Ideen Väterprojekte zu entwickeln.

Im Laufe der Zeit und durch den Austausch die Multiplikatoren und Multiplikatorinnen untereinander entstanden verschiedene Projektideen.
Eine Multiplikatorin berichtete von einem Vater-Kind-Ausflug zu einem Abenteuerspielplatz. Sie beschrieb, dass es ein besonderes Erlebnis gewesen sei, da viele der Kinder zum ersten Mal mit dem Bus unterwegs waren oder zum ersten Mal mit ihren Vätern den Spielplatz besuchten. Auch für die Väter wäre es zum Teil eine Premiere gewesen, da sie erstmals an einer Veranstaltung der Kindertageseinrichtung teilnahmen.

Eine andere Einrichtung orientierte sich im erlebnispädagogischen Bereich und lud Väter und Kinder in die Kita ein, um gemeinsam Erfahrungen in einem Niedrigseilgarten zu sammeln.

Eine weitere Projektkita mit dem Schwerpunkt „Forschung“ fuhr mit Vätern und ihren Kindern ins Wissenschaftsmuseum „Phaeno – Welt der Phänomene“ in Wolfsburg. Künftig sollen „Forschernachmittage“ für Väter und Kinder in den Kita-Alltag integriert werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass fast alle Teams der Projektkitas sich dem Thema Väterarbeit konzeptionell und praktisch im Jahr 2012 angenähert haben.

Wir danken Ihnen für diesen umfassenden Einblick und wünschen Ihnen für die Umsetzung Ihrer Projekte und Ideen weiterhin viel Erfolg!

Ein Erfahrungsbericht von KinderStärken e.V.

Hinweis des Herausgebers: Die Inhalte der Interviews spiegeln nicht immer die genauen Standpunkte der Koordinationsstelle wider.

www.kitsman.kinderstaerken-ev.de/ | Wesite des ESF-Modellprojekts in Sachsen-Anhalt