Der Generalverdacht im Kita-Alltag

Im Interview: Katrin Majrowski von der katholischen Kindertagesstätte Liebfrauen in Düsseldorf.

Foto: Privat.

Zur Person: Katrin Majrowski

Kath. Kindertagesstätte Liebfrauen, Lindenstraße 176, 40233 Düsseldorf

Anzahl der päd. Mitarbeiterinnen in der Kita:19

Kita-Träger: Flingern mobil e.V., Vinzenzplatz 1, 40211 Düsseldorf | www.flingern-mobil.de

Funktion in der Kita: gruppenübergreifende sozialpädagogische Fachkraft; staatl. anerkannte Erzieherin seit: 8/2010

Was bedeutet es für sie als Erzieherin, sich mit dem Thema „Generalverdacht“ auseinander zusetzen?

Für mich als Erzieherin ist ein offener und vertrauensvoller Umgang im Team essenziell. Dies beinhaltet, dass sich für mich die Frage nach einem „Generalverdacht“ bei meinen männlichen Kollegen nicht stellt. Durch die tägliche Zusammenarbeit lernt man seinen Kollegen einschließlich seiner Erzieherpersönlichkeit kennen und vor allem schätzen. Ich bewerte die Arbeit eines männlichen Kollegen nicht anders als die einer weiblichen Fachkraft. Ich sehe allerdings, dass die Thematik des „Generalverdachtes“ die männlichen Kollegen in ihrer alltäglichen Arbeit beeinflusst. Insbesondere die Wickelsituation stellt oftmals eine Herausforderung dar. Dies bedeutet für mich, dass ich mich mit den Schwierigkeiten und Hemmschwellen eines männlichen Erziehers in der pädagogischen Arbeit auseinandersetze und ihm größtmögliche Unterstützung gewährleiste. Geschlechtsunabhängig ist es wichtig, dass man die richtige Balance von Nähe und Distanz zwischen Kind und Bezugs-ErzieherIn wahrt.

Die Auseinandersetzung mit der Thematik des „Generalverdachtes“ stellt sich für mich geschlechtsunabhängig im Kontext der Kindeswohlgefährdung. Ich sehe es als einen der wichtigsten Aufgabenbereiche in der pädagogischen Arbeit, eben diese Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Diesbezüglich ist ein ganzheitlicher Blick für die Gefährdungsrisiken eines Kindes notwendig.

Kommen auch Eltern mit dem Thema in Berührung und wie reagieren sie darauf? Ist der „Generalverdacht“ ein Thema unter den Eltern?

Der „Generalverdacht“ ist kein öffentlich diskutiertes Thema unter den Eltern. Nichtsdestotrotz setzen sich die Eltern bewusst, aber auch unbewusst mit der Rolle eines männlichen Erziehers auseinander. Ich beobachte häufig, dass sich Eltern in einer Ambivalenz befinden. Auf der einen Seite freuen sie sich über die männliche Unterstützung für das doch vorwiegend weibliche Team. Denn allgemein assoziiert man mit einem männlichen Erzieher das Fußballspielen, Toben und Werkeln. Zudem begrüßen Eltern den Erzieher als eine männliche Identifikationsfigur für ihre Kinder. Auf der anderen Seite können Ängste mitschwingen, die sich insbesondere auf den Umgang des Erziehers im Hinblick auf die Wickelsituation oder das Trösten des Kindes beziehen.

Oftmals begegnen Eltern diesen Unsicherheiten durch den direkten Kontakt zum Erzieher. Hierbei ist zu beobachten, dass eine männliche Fachkraft stärker als eine Erzieherin nach seinem familiären Umfeld oder seinem Interesse für den Beruf befragt wird. Des Weiteren nutzen Eltern die Möglichkeit, uns im täglichen Umgang mit den männlichen Fachkräften zu beobachten. Es gibt ihnen Sicherheit, uns in einem kollegialen und insbesondere vertrauensvollen Austausch mit den männlichen Erziehern zu sehen.

Das Projekt „MEHR Männer in Kitas“ läuft nun seit zwei Jahren. Wie beurteilen Sie das Projekt aus der Perspektive einer weiblichen Fachkraft in der Kita?

Die Installation des Projektes „Mehr Männer in Kitas“ ist aus meiner Sicht für die pädagogische Arbeit sehr bedeutsam. Kinder verbringen immer mehr Zeit in der Kita, sodass die Einrichtung unweigerlich Einfluss auf die Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität nimmt. Demnach sollte Kindern die Möglichkeit geboten werden, sich mit beiden Geschlechtsvorbildern identifizieren zu können. Männliche Fachkräfte sind daher eine Bereicherung für die pädagogische Arbeit und ihre Gewinnung für den Erzieherberuf zu begrüßen.

Da das Berufsfeld für Männer weitgehend neu ist, sehe ich insbesondere das Projekt MAIK „Männer arbeiten in Kitas“ als sehr wertvoll an. Es bietet unseren männlichen Mitarbeitern eine Plattform, auf der sie sich regelmäßig unter ihresgleichen austauschen und in ihrer Erzieherrolle vergleichen können. Dies bestätigt uns auch unser Erzieher Andreas, wenn er sagt: „Das Maik-Projekt ist für mich die einzige Möglichkeit, mich mit männlichen Erziehern im Elementarbereich auszutauschen. Wir nutzen unsere Treffen, um uns inhaltlich besonders mit dem Thema „Generalverdacht“ auseinanderzusetzen. Die Erfahrungen und Ansätze der Anderen helfen mir, im Kita-Alltag besser mit diesem Thema umzugehen. Für meine fachliche und persönliche Entwicklung sind diese Treffen daher von großer Bedeutung“. Durch die Überzahl an weiblichen Fachkräften wird oftmals außer Acht gelassen, dass Männer sich nicht täglich und selbstverständlich mit anderen Erziehern austauschen können. Als Erzieherinnen profitieren wir von diesem Austausch, da unsere Kollegen Sicherheit im pädagogischen Umgang mit Kindern erhalten.

Wir danken Ihnen für diesen umfassenden Einblick und wünschen Ihnen für die Umsetzung Ihrer Projekte und Ideen weiterhin viel Erfolg!

Hinweis des Herausgebers: Die Inhalte der Interviews spiegeln nicht immer die genauen Standpunkte der Koordinationsstelle wider.