Flächendeckende verpflichtende Präventionsschulungen in 670 katholischen Kitas

Ein Erfahrungsbericht des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln e.V.. zum "Generalverdacht".

Cover des Schulungsreaders. Foto: Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V..

Der Empfehlung der Studie "Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten" folgend, haben wir uns im Rahmen des Projektes „MAIK – Männer arbeiten in Kitas“, dessen Träger der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e. V. (DiCV Köln) ist, dazu entschieden, das Thema Generalverdacht nicht isoliert zu bearbeiten, sondern sinnvoller Weise in das Kinderschutzkonzept für kath. Kitas im Erzbistum Köln einzubringen. So ist unserer Auffassung nach am ehesten garantiert, dass eine kritische Auseinandersetzung mit vereinfachenden und verallgemeinernden Täter- und Opferzuschreibungen in kath. Kindertageseinrichtungen des Erzbistums Köln erfolgt. Diese kritische Auseinandersetzung macht es dann auch möglich, dem (Vor)Urteil, männliche Erzieher seien potenzielle Missbraucher,  erfolgreich und nachhaltig entgegenzuwirken.

Dieses Kinderschutzkonzept wird aktuell durch die Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder des DiCV Köln, in der auch das Projekt MAIK angesiedelt ist, im Auftrag des Präventionsbeauftragten des Erzbistums Köln, erarbeitet. Grundlagen dafür bilden die gültige Präventionsordnung im Erzbistum Köln und das damit in Verbindung stehende allgemeine Curriculum „Kinder und Jugendliche schützen – unser Auftrag“ sowie das Bundeskinderschutzgesetz.

Das Projekt MAIK will einen Beitrag dazu leisten, dass ein Kinderschutzkonzept für katholische Kitas im Erzbistum Köln entsteht, das sich nicht auf Männer als Täter fokussiert sowie die Bedeutung von Körperlichkeit und Nähe in den Beziehungen zwischen erzieherischen Fachkräften und Kindern betont.

Teil des Konzeptes sind flächendeckende Präventionsschulungen. Das Schulungscurriculum wurde im Auftrag des DiCV Köln durch Herrn Prof. Dr. Els (Hochschule Niederrhein) erstellt. Wir hatten die Möglichkeit, uns an der Entwicklung der Inhalte im oben beschriebenen Sinne zu beteiligen. Übungen zum Thema „geschlechtsspezifische Schutzlücken und Wahrnehmungsverzerrungen“ mit einem Exkurs zum Thema „Generalverdacht“ sind ebenso Bestandteil der Schulungen, wie auch „Handlungsempfehlungen zur professionellen Einführung und Einbindung von männlichen Fachkräften“. Die Bearbeitung des Themas „geschlechtsspezifische Schutzlücken und Wahrnehmungsverzerrungen“ regt die Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu einer Selbstreflexion bei der Wahrnehmung von vermeintlichen Grenzüberschreitungen bzw. sexuell motivierten Situationen an.

Dabei wird den Teilnehmenden anhand von kurzen Beispielen verdeutlicht, dass bestimmte Situationen in Abhängigkeit vom Geschlecht des „Täters“ und des „Opfers“ oftmals unterschiedlich bewertet werden. Dies stellt einen guten Einstieg in das Thema Generalverdacht dar (basiert auf einer experimentellen Studie von Arnold Hinz. Vgl. Arnold Hinz; Zeitschrift für Sexualforschung (Ausgabe 3 / 2001); S. 214 ff).
Das seit November 2012 vorliegende Curriculum „Kinder vor (sexueller) Gewalt schützen – Reader zur Schulung von Mitarbeitenden in katholischen Kindertageseinrichtungen“ gemäß der „Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im Erzbistum Köln“ bildet nun den verbindlichen Rahmen für alle Aus- und Fortbildungen zu dieser Thematik.

Hier ein kurzer Überblick über die Inhalte des Readers:

  • Sexueller Missbrauch - erkennen und helfen
  • Der Auftrag von Kindertageseinrichtungen und seine Grenzen: Erziehung, Bildung und Betreuung (§ 22 SGB VIII, § 13 Abs. 1 KiBiz)
  • Altersgemäße Bedürfnisse des Kindes und der fachlich adäquate Umgang mit ihnen
  • Die strafrechtlichen Grenzen: Sexueller Missbrauch, § 176 StGB.
  • Missbrauch in Institutionen (u. a. geschlechtsspezifische Schutzlücken und Wahrnehmungsverzerrungen / Generalverdacht)
  • Strategien der Täter/innen und Erklärung des sexuellen Missbrauchs
  • Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch und Verfahren bei gewichtigen Anhaltspunkten einer Kindeswohlgefährdung durch sexuellen Missbrauch bzw. Grenzverletzung
  • Prävention: Was können Kindertageseinrichtungen tun, um ihre Kinder vor sexuellem Missbrauch durch Mitarbeitende zu schützen?
  • Haftung und Sozialdatenschutz

Neben der Vermittlung von Wissen stehen besonders die Auseinandersetzung mit Fallbeispielen und Übungen zur Selbst- und Praxisreflexion im Mittelpunkt der Schulungen.

Ende 2012 sind die verpflichtenden Präventionsschulungen für alle pädagogischen Fachkräfte der 670 katholischen Kindertagesstätten im Erzbistum Köln angelaufen. Die pädagogischen Fachkräfte sind zu einem reflektierten Umgang mit den ihnen anvertrauten Jungen und Mädchen und zur zeitnahen und angemessenen Thematisierung von Grenzverletzungen verpflichtet, die durch ihre Kolleginnen und Kollegen oder durch die ihnen anvertrauten Mädchen und Jungen, jungen Frauen und Männern begangen worden sind. Dies wird durch die Unterzeichnung einer Selbstverpflichtungserklärung im Nachgang zu den Schulungen bekräftigt. Alle Schulungsteilnehmerinnen und –teilnehmer erhalten den Schulungsreader zur weiteren Auseinandersetzung mit den Inhalten in der Kitapraxis vor Ort. Die Teams sowie die Personalverantwortlichen der kath. Kindertageseinrichtungen sollen von den zuständigen Fachberater/innen und durch das Fortbildungsreferat des DiCV Köln dabei unterstützt werden, einerseits die im Reader enthaltenen Handlungsempfehlungen zur Prävention eines Missbrauchs durch Mitarbeitende (m/w) im Nachgang zu den Schulungen konkret umzusetzen und andererseits die Handlungsempfehlungen in den Einrichtungskonzeptionen auch schriftlich zu verankern. Aus Sicht des Projektes ist es besonders wichtig, dass Team und Träger gemeinsam eine Haltung zum Thema Generalverdacht und zum Thema Nähe-Distanz in der pädagogischen Arbeit entwickeln und darüber in einen Dialog mit Eltern treten. Auch die Entwicklung eines verbindlichen Verfahrensablaufes, mit dem sichergestellt wird, das neu eingestellte männliche Fachkräfte professionell eingeführt und ins Team eingebunden werden, ist ein weiterer wichtiger Baustein.

Die Ermittlung des konkreten Unterstützungsbedarfes vor Ort und die Identifizierung und Entwicklung geeigneter Methoden und Maßnahmen, die, aufbauend auf die Präventionsschulungen, geeignet sind, um die Implementierung der Handlungsempfehlungen durch Fachberatung und Fortbildung voranzutreiben, bilden den Arbeitsschwerpunkt der Fachabteilung Tageseinrichtungen für Kinder des DiCV Köln im Jahr 2013. Durch die Anbindung der Thematik an die Fachabteilung ist so gesichert, dass über die Projektlaufzeit hinaus, Ressourcen zur Verfügung stehen, um das Thema weiter zu verfolgen.

Autor: Pablo Andreae, Projektreferent.

Wir danken Ihnen für diesen umfassenden Einblick und wünschen Ihnen für die Umsetzung Ihrer Projekte und Ideen weiterhin viel Erfolg!

Hinweis des Herausgebers: Die Inhalte der Interviews spiegeln nicht immer die genauen Standpunkte der Koordinationsstelle wider.

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