Eine neue Generation männlicher Kindheitspädagogen?
Mia Heikkilä lehrt und forscht im Fachbereich Bildung, Kultur und Kommunikation der Universität Mälardalen in Västerås in Schweden. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender in Kindergärten, Spielen und Lernen sowie die Gleichstellung der Geschlechter. Sie war als Gender-Expertin an der Schwedischen Nationalen Agentur für Bildung tätig und hat im Auftrag der schwedischen Regierung zu verschiedenen Gender-Themen im Bildungsbereich gearbeitet. „Lärande och jämställdhet i förskola och skola“ (2015, etwa: „Bildung und Gleichstellung in Kindergarten und Schule“) ist ihr neues, forschungsbasiertes Lehrbuch zu Gleichstellungsthemen in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Im Rahmen des diesjährigen Austauschtreffens des internationalen Forschungsnetzwerks „Gender Balance“ (Link) sprach sie zum Thema „Eine neue Generation männlicher Kindheitspädagogen? – Eine alternative Männlichkeit gestalten“ und beantwortete uns einige Fragen zu ihrem Forschungsthema.
Mit Ihrer Studie möchten Sie unter anderem Antworten darauf finden, warum es in Schweden nur wenige männliche Erzieher in Kitas gibt und warum die Anzahl männlicher Erzieher nur sehr langsam steigt. Dafür haben Sie Interviews mit männlichen Erziehern durchgeführt und diese unter anderem zu ihrer Berufswahl sowie zu ihren Berufseinstellungen und -erfahrungen befragt. Können Sie kurz das Forschungsdesign der Studie skizzieren?
Meine Kollegin und ich haben insgesamt 38 Männer interviewt, die an drei verschiedenen schwedischen Universitäten Kindheitspädagogik studieren (in Schweden ist die Ausbildung zum/zur Erzieher/in akademisiert, Anm.d.Redaktion). Die Interviews waren jeweils 30 bis 60 Minuten lang. Anschließend haben wir das Material transkribiert, kodiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Studie?
Es gibt mehrere wichtige Ergebnisse. Eines ist zum Beispiel, dass alle von uns interviewten Männer auf die eine oder andere Art für unterschiedlich lange Zeiträume in einer Kindertageseinrichtung tätig waren, bevor sie sich für ein Studium der Kindheitspädagogik entschieden haben. Außerdem fanden wir heraus, dass alle befragten Männer nicht speziell als „männliche“ Erzieher betrachtet, sondern in erster Linie als professionelle Fachkräfte angesehen werden wollten, die sich im Rahmen ihrer Arbeit um Kinder kümmern und gemeinsam mit ihnen Lernprozesse gestalten. Ein weiteres Ergebnis unserer Studie ist, dass alle Männer sich mit der Thematik des Generalverdachts auseinander setzen mussten.
Wie wirkt sich die für Männer noch immer seltene Berufswahl auf ihre geschlechtlichen Identitätsvorstellungen aus?
Offenbar wirkt sich das Studium der Kindheitspädagogik nicht in besonderer Weise auf die Männlichkeitsvorstellungen der interviewten Männer aus, wenn sie ihre Entscheidung erstmal getroffen haben. Die Männer haben sich jedoch lange, bevor sie ihr Studium aufgenommen haben, intensiv mit dem Beruf des Kindheitspädagogen auseinandergesetzt. Die Entscheidung für das Kindheitspädagogikstudium macht diese Männer, so zeigt es unsere Studie, zu einer Art „Regelbrecher“, da sie entgegen üblicher Männlichkeits- und Gesellschaftsnormen handeln. Es erfordert Mut, dies zu tun. Die Männer finden dabei neue Männlichkeitsformen. Einige der Interviewten äußern explizit, dass sie einen besseren Weg gefunden haben, ihre Männlichkeit zu leben, eine nicht gewalttätige und weniger „raue“ Form der Männlichkeit.
Was glauben Sie, haben männliche Erzieher generell Einfluss auf Männlichkeitsvorstellungen anderer Männer?
Ich denke, das ist ein langer Prozess. Wie alle gesellschaftlichen Veränderungen geht es langsam und startet mit einer kleinen Gruppe, die immer größer wird. Nur wenige gesellschaftliche Veränderungen passieren über Nacht. Es braucht eine gewisse Anzahl von Individuen, die sich einer Sache widmen, damit etwas passiert.
Wie hoch ist der Anteil männlicher Erzieher in Schweden und welche Maßnahmen gibt es, um ihn zu erhöhen?
Zurzeit liegt der Anteil männlicher Erzieher bei niedrigen dreieinhalb bis vier Prozent. In Schweden gibt es keine offizielle Strategie zur Erhöhung des Männeranteils in Kitas. Aktuell gibt es jedoch zum Beispiel ein erst mal auf zwei Jahre ausgerichtetes Netzwerk von acht Kommunen, die den Anteil männlicher Erzieher erhöhen wollen.