Das fachliche Interesse ist groß.

Bernhard Koch über die Situation in Österreich.

Bernhard Koch wünscht sich mehr politische Unterstützung. Foto: privat

In Österreich liegt der Männeranteil in Kitas bei nur einem Prozent. Mitte Mai hatte die Universität Innsbruck Interessierte und Expert/innen aus den Bereichen Elementarbildung, Gleichstellung und Arbeitsmarkt eingeladen, um darüber zu diskutieren, worin die Herausforderungen für die Geschlechterpolitik liegen.

Dr. Bernhard Koch von der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Innsbruck war für die inhaltliche Durchführung verantwortlich. Wir haben ihn zu den Ergebnissen der Veranstaltung befragt.

Herr Koch, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten politischen und fachlichen Ergebnisse dieser Konferenz?

Die Veranstaltung „Sag mir, wo die Männer sind …“ führte den Untertitel „Der Kindergarten als Arbeitsplatz für Frauen und Männer – eine Herausforderung für die Geschlechterpolitik“.
Nimmt man den beruflichen Hintergrund der Teilnehmer/innen als Maßstab, so könnte man für diese Veranstaltung wohl behaupten, dass die Geschlechterpolitik diese Herausforderung kaum annahm: Fast ausnahmslos waren Personen aus dem Bereich der Elementarpädagogik im Publikum vertreten, die Zielgruppe „Personen der Geschlechterpolitik“ konnte kaum erreicht werden.

Die Referate und Diskussionsbeiträge zeigten – trotz einzelner Dissensen – einen breiten Konsens bei folgenden Punkten:

  1. Mehr Männer im Kindergarten als Ziel
  2. Erweiterung des Berufswahlspektrums für Mädchen und Burschen, Aufbrechen geschlechterstereotyper Rollenbilder
  3. Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Elementarpädagogik


Eine Analyse der Podiumsdiskussion zeigte, dass manche Podiumsteilnehmer/innen konkrete Maßnahmen im Auge haben und konkrete Überlegungen anstellen, wie ein höherer Männeranteil in Kinderbetreuungseinrichtungen realisiert werden könnte. Sie zeigte aber auch, dass andere Entscheidungsträger/innen nur sehr vage Vorstellungen äußern. Der Gedanke an eine „Männerförderung in erzieherischen Berufen“ scheint noch kein „common sense“ im Bereich der Gleichstellungspolitik zu sein. Mitunter scheint es auch so zu sein, dass noch wenig Legitimationsdruck vorhanden ist, argumentativ zu rechtfertigten, wieso man nicht für eine Geschlechtergleichstellung im Elementarbereich aktiv wird. So wird auf die Frage des Moderators, weshalb trotz eigener, schriftlich festgehaltener Absichtserklärungen für mehr Männer im Kindergarten noch so wenig geschehen sei, kurz und knapp darauf verwiesen, dass „Papier geduldig“ sei. Vielleicht trifft für Österreich das zu, was Prof. Emilsen für Norwegen – allerdings auf höherem Niveau des Männeranteils –resümiert: Es scheint kein wirkliches Interesse für (weitere) Rekrutierungskampagnen zu geben, weder lokal noch national.

Insgesamt ist allerdings zu vermuten, dass bereits durch die Veranstaltungsankündigung sowie die mediale Verbreitung der Veranstaltung die Idee eines Kindergartens als „Arbeitsplatz für Frauen und Männer“ mehr Konturen gewonnen und zu einer Sensibilisierung gegenüber der Thematik beigetragen hat. Immer mehr einzelne Träger und Ausbildungseinrichtungen oder einzelne politisch Verantwortliche setzen gezielt Schritte in Richtung gemischtgeschlechtliches Personal. Inwieweit die (geringe) Verankerung einer entsprechenden „Männerförderung“ bzw. Geschlechterpolitik Auswirkungen auf den Männeranteil in der Erziehung und insbesondere im Kindergarten haben wird, wird die Zukunft zeigen.

Wie werden Sie bzw. die Universität Innsbruck das Thema in Österreich künftig weiter befördern?

Ich werde von Ausbildungseinrichtungen eingeladen, Forschungsergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren. So wird ein Diskussionsprozess angeregt. An der Universität Innsbruck habe ich keine weiteren Forschungen zu diesem Thema vor. Das Familienministerium hat im Zuge der Ausbauoffensive in der Kinderbetreuung Bundesmittel zur Verfügung gestellt, damit Schritte zur Bewusstseinsbildung „Mehr Männer in den Kindergärten“ durchgeführt werden können. Von 2015 bis 2017 stehen dafür jährlich 450.000 Euro bereit. Beispielsweise wurde das Symposium aus diesen Mitteln gefördert, ebenso wird in der Steiermark eine Kampagne zu diesem Thema durchgeführt. Aber auch Informationsveranstaltungen für Interessierte, Maßnahmen zur Berufsorientierung, Weiterbildung und Information von Berater/innen des Arbeitsmarktservice sollten diese Thematik aufgreifen. Leider gibt es keine Person im Ministerium oder außerhalb, die die Koordination übernimmt, niemand weiß wirklich, was in den Bundesländern mit dem Geld passiert, best practice Beispiele können nicht verbreitet werden.

Wie nehmen Sie die aktuelle Situation in Deutschland wahr?

Anstrengungen, wie sie in Deutschland zu dem Thema stattfinden, wären auch in Österreich wünschenswert. Auch was die Forschung und die Ausbildungsreform angeht, ist Deutschland fast zehn Jahre voraus.

Vielen Dank für das Interview!