Innsbrucker Wirkungsstudie

„Ein gut eingespieltes Team aus männlichen und weiblichen Fachkräften liefert damit ein breiteres Angebot für Jungs und Mädchen, als dies in den rein weiblichen Einrichtungen zu beobachten war“, so Prof. Dr. Bernd Traxl von der Innsbrucker Wirkungsstudie, Österreich.

Foto: Peter Pulkowski. © Johannes Gutenberg Universität Mainz.

Herr Traxl, wie sieht die Situation männlicher Erzieher in Österreich aus?

Österreich schneidet sowohl im Ausbildungsniveau der „KindergartenpädagogInnen“ (Sekundarschule) als auch in der Anzahl der beschäftigten Männer im internationalen Vergleich leider sehr schlecht ab. Mit etwa einem Prozent männlichen Fachkräften in allen Kindertagesheimstätten (rechnet man nur die Kindergärten sind es rund 0,6 Prozent) befindet sich Österreich weit unter dem EU-Durchschnitt.

Der Männeranteil ist in den einzelnen Bundesländern jedoch sehr unterschiedlich. Männliche Fachkräfte sind eher in alternativen und selbstverwalteten Einrichtungen zu finden, wo der Anteil mit zehn Prozent deutlich höher liegt. Kindergärtner haben somit eher einen „Exotenstatus“, auch wenn sie in den meisten Einrichtungen sehr willkommen wären.

Viele weibliche Fachkräfte und Kindergartenleitungen, aber auch Eltern wünschen sich entsprechend den Ergebnissen der Elementarstudie (unter der Leitung von Univ. Prof. Josef Aigner am Institut für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung der Universität Innsbruck) männliche Fachkräfte in ihrem Team bzw. ihrer Einrichtung. Auch im Nachfolgeprojekt mit dem Titel "Wirkungsstudie Innsbruck" wurde dieser Wunsch von PraktikerInnen deutlich, im Zentrum des Interesses dieser Studie stehen jedoch die Effekte, die gemischtgeschlechtliche Konstellationen in Kindergärten zeitigen können.  

Insgesamt kann man zur Situation in Österreich sagen, dass immer wieder Beiträge zu „Männern in KITAS“ aus unterschiedlichsten Initiativen erscheinen, jedoch keine kohärenten Maßnahmen unter einem Dach entstehen. Immerhin sollen im „Strategieprojekt“ zur Erhöhung des Männeranteils (Aigner/Koch Laufzeit 2012 bis 2015) neue Maßnahmen initiiert und wissenschaftlich begleitet werden.

Vor dem Hintergrund Ihres gegenwärtigen Forschungsprojekts, können Sie schon sagen, was passiert, wenn männliche Kindergartenpädagogen in die pädagogische Praxis kommen?

Kommen männliche Fachkräfte in die elementarpädagogische Praxis, ergeben sich einige interessante Effekte. Voraussetzung ist natürlich ein engagierter Kindergärtner, der in der weiblich geprägten Lernumwelt akzeptiert wird und seinen Platz darin findet. Unter diesen Bedingungen bewirken Männer oft eine Auflockerung von Regeln und Strukturen.

Männliche Fachkräfte wurden von unseren „Ratern“ etwas nachgiebiger und zum Teil weniger bestrafend eingeschätzt. Dies deutet sich sowohl aus den Beobachtungsdaten, als auch in den Selbst- und Fremdeinschätzungen der Fachkräfte an. Ordnung und Kontrolle wurden dabei eher den Frauen zugeschrieben, männliche Fachkräfte dagegen eher als gelassen und permissiv wahrgenommen. Männer scheinen öfter mal „ein Auge zuzudrücken“ und den Kindern mehr zuzutrauen.

Insofern öffnet sich durch ein gemischtgeschlechtliches Team vielfach eine größere Varianz zwischen den Polen „Sicherheit und Nähe“ sowie „Risiko und Exploration“. Es entsteht ein Freiraum den die Kinder auch nützen und in der Folge extrovertierter agieren. Insbesondere die Jungs drohen in einigen rein weiblichen Kindergärten sich zurückzuziehen und lediglich als Störenfriede in Erscheinung zu treten.

Positiv zu erwähnen sind auch die Effekte, die das Gruppengeschehen bei einer gemischtgeschlechtlichen Konstellation von Fachkräften betrifft. Die Übergänge zwischen den Einheiten eines Kindergartentages sind weniger strukturiert und damit dynamischer. Außerdem fördern diese Teams verstärkt die soziale Mobilität der Kinder innerhalb der Gruppe, so dass mehr Austauschmöglichkeiten bestehen.

Ein gut eingespieltes Team aus männlichen und weiblichen Fachkräften liefert damit ein breiteres Angebot für Jungs und Mädchen, als dies in den rein weiblichen Einrichtungen zu beobachten war. Dies betrifft vor allem ein Identifizierungsangebot, von dem bislang noch gar nicht die Rede war.

Wie werden die Bemühungen in Deutschland, mehr Männer für die Kitas zu gewinnen, in Österreich wahrgenommen?

Die öffentliche Wahrnehmung der Bemühungen in Deutschland ist eher als gering einzustufen. Es mangelt bislang an Initiativen für mehr Männer im Elementarbereich und teilweise auch an der politischen Aufmerksamkeit für dieses Thema – vor allem an der Bereitschaft, dafür auch finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

In Österreich werden genderspezifische Förderprogramme noch fast ausschließlich in Bezug auf Mädchen gestaltet, weshalb auch das Thema der Männer in erzieherischen Berufen und ihre Bedeutung für Jungen und Mädchen zu wenig gesehen wird. Das Forschungsprojekt „Elementar“ konnte jedoch einiges zur Steigerung der öffentlichen Wahrnehmung beitragen und die Forschungsgruppe um Univ. Prof. Josef Aigner  versucht auch weiterhin auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Die „Wirkungsstudie Innsbruck“ will darauf aufbauen und  einen weiteren Beitrag zur verstärkten Auseinandersetzung in Österreich leisten.

Vielen Dank für Ihre Fragen, die ich mit Hilfe meiner Kollegen am Institut für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung in Innsbruck gern beantwortet habe.

Vielen Dank für das Interview!